14 Apr. Persönliche Haftung von Geschäftsleitern bei Schneeballsystem
Am 6. März 2025 entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall III ZR 137/24 über die Haftung von Verantwortlichen eines Unternehmens und des Unternehmens selbst, das ein sogenanntes Schneeballsystem betrieben hatte. Ein Schneeballsystem ist ein betrügerisches Geschäftsmodell, bei dem die Gewinne der Anleger nicht aus tatsächlichen Erträgen erwirtschaftet werden, sondern aus den Einlagen neuer Investoren stammen. Dieses System kann nur solange funktionieren, wie kontinuierlich neue Anleger gewonnen werden; bleibt dieser Zustrom aus, bricht es zusammen.
Sachverhalt:
In dem vorliegenden Fall hatte ein Unternehmen Anleger dazu bewegt, in ein Geschäftsmodell zu investieren, das hohe Renditen versprach. Die Verantwortlichen des Unternehmens behaupteten, dass das Kapital der Anleger in den Ankauf von langfristigen Lebensversicherungspolicen am Zweitmarkt und deren Weiterführung fließen würde. Tatsächlich wurden jedoch die Auszahlungen an bestehende Anleger hauptsächlich durch die Gelder neuer Investoren finanziert, ohne dass nennenswerte operative Geschäfte stattfanden. Als der Zustrom neuer Anleger nachließ, konnte das Unternehmen die versprochenen Renditen nicht mehr auszahlen. Der Verantwortliche der Unternehmensgruppe beschloss daher, sogenannte „Eigenverträge“ abzuschließen. Also großvolumige Lebens- und Rentenversicherungen von einer Gesellschaft der Unternehmensgruppe abschließen und eine andere Gesellschaft der Unternehmensgruppe hierfür die Vermittlungsprovision einnehmen zu lassen.
Letztlich scheiterte das auf diese Weise geschaffene Schneeballsystem und über das Vermögen der hiesigen Gesellschaft wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Haftungsgrundlagen der beklagten Gesellschaft:
Der BGH stellte klar, dass Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder oder faktische Geschäftsleiter persönlich für Schäden haften können, wenn sie ein Geschäftsmodell betreiben, das von Anfang an oder ab einem bestimmten Zeitpunkt auf Täuschung und Schädigung der Kunden ausgelegt ist. Dies basiert u.a. auf § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der besagt, dass jemand, der einem anderen vorsätzlich und sittenwidrig Schaden zufügt, zum Schadensersatz verpflichtet ist. Auch die insolvente Gesellschaft haftet (über § 31 BGB) für die Handlungen ihrer Organe (beispielsweise dem Geschäftsführer).
Der Insolvenzverwalter hatte im hiesigen Fall argumentiert, die Schadenersatzansprüche der Anleger seien nicht zur Insolvenztabelle festzustellen (also als Forderung der Anleger zu akzeptieren) da den Anlegern ein Rückzahlungsanspruch aus der Kapitalanlage zustehe. Hierzu stellte der BGH fest, dass dieses Argument nicht verfängt, da diese Forderung wertlos gewesen sei. Schließlich sei jederzeit mit dem Zusammenbruch des Schneeballsystem zu rechnen gewesen.
Die erforderliche Schädigungsabsicht der Verantwortlichen sei bei Schneeballsystemen besonders offensichtlich. Da die versprochenen Renditen nur durch das Einwerben neuer Anleger finanziert werden können, ist es vorhersehbar, dass das System zusammenbricht, sobald keine neuen Investoren mehr gefunden werden. Die Verantwortlichen wissen um diese Struktur und nehmen den Schaden der Anleger zumindest billigend in Kauf. Daher erfüllen sie die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB.
Entscheidend ist insoweit, dass der BGH klar entschied, dass es für die Haftung der Gesellschaft irrelevant ist, ob die verantwortlich handelnde Person dem Anleger gegenüber überhaupt in Erscheinung getreten ist. Dies sei bei einem Schneeballsystem, dass durch gutgläubige Vermittler vertrieben werde regelmäßig der Fall und stehe einer Haftung nicht entgegen.
Beweislast der Geschädigten:
Der BGH betonte, dass Geschädigte in solchen Fällen nicht sämtliche internen Details des betrügerischen Geschäftsmodells darlegen müssen. Es genügt, wenn sie Anhaltspunkte vorbringen, die auf das Vorliegen eines Schneeballsystems hindeuten. In solchen Situationen trifft die Verantwortlichen eine sogenannte sekundäre Darlegungslast. Das bedeutet, dass sie detailliert darlegen müssen, dass ihr Geschäftsmodell nicht betrügerisch war. Können sie dies nicht überzeugend tun, wird zugunsten der Geschädigten entschieden.
Fazit:
Für Anleger, die in ein Schneeballsystem investiert haben, bedeutet dieses Urteil, dass sie Ansprüche auf Schadensersatz direkt gegen die verantwortlichen Personen des Unternehmens aber eben auch das Unternehmen selbst geltend machen können. Jedoch auch, dass sie ihre Ansprüche zur Insolvenztabelle der insolventen Gesellschaften selbst anmelden können. Die Rechtsprechung erleichtert dabei die Beweisführung für die Geschädigten, indem sie die Verantwortlichen in die Pflicht nimmt, die Rechtmäßigkeit ihres Handelns nachzuweisen. Dieses Urteil stärkt somit den Schutz von Anlegern vor betrügerischen Geschäftsmodellen und unterstreicht die Haftung von Gesellschaften für ihre Organe bei sittenwidrigen Schädigungen.
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